Euphorie ist ein besseres Morgen, das schon heute im Körper stattfindet. Euphorie ist die Freude an der Zukunft im Jetzt. Diese Freude wächst, wenn sie geteilt wird. Die gemeinsame Euphorie verstärkt sich, je mehr Menschen darin einstimmen. Es ist die Aufgabe staatlicher Organisation, Bedingungen für größtmögliche gemeinsame Euphorie zu schaffen – das bessere Morgen im Jetzt für alle – und zwar umsonst.
Queerokratie.
Geschlechtliche Euphorie ist die uneingeschränkte Freude an der eigenen Begehrbarkeit. Geschlechtliche Euphorie ist eine positionierte Unbestimmtheit, ein immerwährendes Mehr, eine Uneingeschränktheit, die in vielerlei Richtungen bereist werden kann. Das Versprechen der Transgeschlechtlichkeit an alle Menschen – trans, inter, nicht-binär und cis und alle anderen – ist dieses: Die eigene Geschlechtlichkeit, das Verhältnis zum

Präambel

Begehren der anderen, kann ein Grund zur Freude sein. Darin lebt bereits das Versprechen der Queerokratie: Dass alle sich gemeinsam aneinander und an sich selbst erfreuen können, ungeachtet aller Normierung.
Geschlechtliche Euphorie ist die uneingeschränkte Freude an der eigenen Begehrbarkeit. Geschlechtliche Euphorie ist eine positionierte Unbestimmtheit, ein immerwährendes Mehr, eine Uneingeschränktheit, die in vielerlei Richtungen bereist werden kann. Das Versprechen der Transgeschlechtlichkeit an alle Menschen – trans, inter, nicht-binär und cis und alle anderen – ist dieses: Die eigene Geschlechtlichkeit, das Verhältnis zum Begehren der anderen, kann ein Grund zur Freude sein. Darin lebt bereits das Versprechen der Queerokratie: Dass alle sich gemeinsam aneinander und an sich selbst erfreuen können, ungeachtet aller Normierung.

Depression und Burn-Out sind Symptome einer DysphorischenGesellschaft. Dysphorie ist die lähmende Angstvor der heraufziehenden Katastrophe im Jetzt. Nicht dieEinzelnen sind dysphorisch – sie spüren aber die Ablehnungder Anderen, ihre Ängste im eigenen Körper. AlleMenschen – ob cis, trans, nicht-binär, inter oder anders– transitionieren in ihre soziale Positionalität.

Der Weg ist schwer genug. Oftmals bleiben dabei inkohärente, unabgeschlossene, unerforschte, Teils traumatische Reste vergangenen, möglichen, unbestimmten, queeren Begehrens übrig – in allen Menschen. Alle Menschen sollten daher ihre eigene soziale Position selbst finden dürfen, um sich selbst und anderen Euphorie zu erlauben. In einer dysphorischen Gesellschaft normieren, beschränken und bestimmen wir einander. In einer euphorischen, queerokratischen Gesellschaft bestärken, beschenken und beschimmern wir einander, miteinander und füreinander. Queerokratie ist die kollektive Selbstbestimmung der Queers, also all derjenigen, die ihren unabgeschlossenen, nicht-normierten Begehren gegenüber offen, gastlich sind und aus ihnen Freude, Begeisterung, Euphorie ziehen. Eine queerokratische Gesellschaft eröffnet diese Euphorie allen Menschen. Lasst uns euphorisch werden.

Für eine euphorische Gesellschaft und um den neuen Herausforderungen zu begegnen schlagen wir folgendes vor:
1. Die Anerkennung der Geschlechtsmündigkeit aller Menschen als Aspekt ihrer Würde.
2. Die Vermeidung jeglichen Geschlechtszwangs.
3. Volle Entpathologisierung aller Urteile über das eigene Geschlecht.
4. Ein Ende von stigmatisierender Sexualisierung und ein Ende der Entsexualisierung durch eine Politik der Respektierbarkeit. Die Ablehnung einer Unterscheidung von ehrlicher Arbeit vs. Sexarbeit, wie sie das Prostituiertenschutzgesetz prägt und in verschärfter Form von Befürworter* innen der Kundenkriminalisierung (wie neuerdings der CDU oder Kanzler Olaf Scholz) vertreten wird.

Prinzipien

5. Die Anerkennung der materiellen Geschlechtsmündigkeit neben einer formellen. Also die konkrete Möglichkeit das eigene Geschlecht nach dem eigenen Urteil zu entwickeln.
6. Um dies zu ermöglichen, die volle Übernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen durch die Krankenkassen unabhängig von etwaigem Leidensdruck.
7. Die Einrichtung einer Versicherung als Vorbild dieses Prinzips durch Bewegung und Verbände.
8. Die Etablierung von Fonds für Schadensersatzzahlungen für Opfer des Transsexuellengesetzes und den zu erwartenden Menschenrechts-Verstößen des geltenden Selbstbestimmungsgesetzes.
9. Ein Selbstbestimmungsgesetz, das kein Minderheitengesetz ist, das einer kleinen Gruppe bestimmte Pflichten und Privilegien zuspricht, sondern für jeden Menschen gleichermaßen gilt.
10. Die Abschaffung aller Ausnahmerelungen wie des Militärgeschlechts, des Spermageschlechts, einer Geschlechtsunmündigkeit von Minderjährigen oder Menschen mit Betreuung sowie rassistischen Sonderregeln.
11. Die Anerkennung der Realität einer rechtsradikalen trans*feindlichen Verschwörungsideologie, die sich nicht durch Appeasement abwehren lässt und deren Bekämpfung antifaschistischer Natur sein muss.



Erläuterungsteil

Mit dem Ende des Transsexuellengesetzes (TSG) beginnt eine neue Zeit unter alten Paradigmen. Nationalstaaten verstehen sich als Reproduktionsgemeinschaften. Selbsterhalt, Kinder und Reproduktionsmaschinen sind ihnen das höchste Gut. Allerorts haben sie im 21sten Jahrhundert das Primat der Vermehrung der Körper zunächst auf das Primat der Vermehrung des Geldes, dann auf das Primat der Vermehrung der Informationen ausgeweitet und tun es noch. Aber Freude und Euphorie geschehen von Zwecken unabhängig. Promiskuität, Zeugungsunwillen und Gastlichkeit sind ihnen daher unliebsam. Sie fügen sich nicht in die Erzählung der Zweckmäßigkeit allen Seins.
Faschismus, Rassismus, Feindschaft gegenüber trans Menschen und Sexarbeiter*innen haben ihre Wurzel in diesem Primat der zweckmäßigen Vermehrung. Wirkmächtige Unterscheidungen wie “körperliche geschlechtliche Diversität” (Intergeschlechtlichkeit) vs. “Ausdruck der
(psychischen) Persönlichkeit” (Transgeschlechtlichkeit) und “Geschlecht als Krankheit” (“Transsexualismus”) vs. “Geschlecht als Perversion” (“Psychose”, “Borderline”) nehmen hier ihren verfehlten Anfang.
Wir stehen dem in Dezentralität, Hospitalität, Transition und Promiskuität gegenüber.
Unsere Leidenschaft ist ihnen rätselhaft.
Ihr Glück ist nicht unseres – es ist noch nicht einmal ihres.
Die Welt der Bestimmtheit, der Zweckmäßigkeit und der Nationalstaaten ist eine Welt der Trauer, der Angst und der Gewalt. Niemand will diese Welt. Lasst uns euphorisch werden.

III. Unfügsamkeit

Im Deutschen Grundgesetz steht die menschliche Würde totalitärer staatlicher Gewalt entgegen (Art. 1 GG). Die Würde ist Ziel, Zweck und Schirmherrin des Deutschen Rechtsapparats. Die Würde hat das Transsexuellengesetz zu Fall gebracht – in ihrer Ausgestaltung als “freie Entfaltung der Persönlichkeit”. Die Würde war Anlass für das Bundesverfassungsgericht, das Transsexuellengesetz in großen Teilen für illegal zu erklären.
Es ist ein Kampf um die Würde entbrannt. Der Vatikan warnt in seinem neuen Papier Dignitas Infinitum – Unendliche Würde von den Bedrohungen der sogenannten “Gender-Ideologie”. Vor ihr muss, so der Vatikan, die Würde des Menschen geschützt werden. Denn die katholische Würde ist die Unterwerfung unter das Gesetz der Schöpfung – und wahre Freiheit besteht nur in der Einsicht in göttliche Notwendigkeit. Auf ein solches Verständnis von Würde beruft sich etwa auch die CDU in ihrem neuen Parteiprogramm. Geschlechtsaffirmierende
Maßnahmen sind in dieser Perspektive Manipulationen der Schöpfung und daher sittlich unwürdig.
Während die Würde der christlichen Anthropologie in der gottesebenbildlichen Schöpfung des Menschen liegt, versteht man sie in der Tradition der Menschenrechte gerade als bedeutungsoffene Sphäre menschlicher Autonomie, wenn nicht (Kantianisch) als Reich menschlicher Selbstgesetzgebung.

IV. Kampf um die Würde

Diese Interpretation liegt der progressiven Rechtsprechung zum Transsexuellengesetz zugrunde. Das Selbstbestimmungsgesetz der Regierung erkennt aber zwar Geschlechtsmündigkeit formell an, macht aber die konkrete Ausübung von Geschlechtlichkeit trotzdem nicht leichter. Auch wenn die Anerkennung der Vernunft und Autonomie der Anderen es fordern würde, bleiben die Erzählungen über ausgeübte Geschlechtlichkeit geprägt von westlichen Konzepten von Transgeschlechtlichkeit und Nicht-Binarität während zahlreiche alte und neue Formen ihrer Ausübung in eine unsichtbare Peripherie des Mitgemeinten verdrängt werden. Die spezifische Gesundheitsversorgung unsere Communities bleibt außerdem weiter an die selben pathologisierenden Verfahren gekoppelt, mit denen das Selbstbestimmungsgesetz der Regierung Schluss machen wollte.
Dennoch ist der Schutz der Menschenwürde der Hebel, an dem Freiheitsrechte ansetzen können, um eine euphorische Gesellschaft zu schaffen. Wir können die Konsequenzen eines progressiven Würdebegriffs radikaler einfordern als es das Selbstbestimmungsgesetz aktuell tut. Für uns liegt die unendliche Würde gerade in der Unbestimmtheit der menschlichen Verhältnisse zueinander und zu sich selbst – und in der Freude, der Euphorie an diesen libidinösen Verflechtungen. Die Unbestimmtheit des Würdebegriffs selbst zeigt sich vielen Interpretationen und Iterationen gegenüber gastlich. Und diese unendliche Gastlichkeit, diese unbestimmbare Flexibilität des Würdebegriffes selbst sollte das Primat aller staatlichen Gewalt sein, die in Artikel 1 des Grundgesetzes versprochen wird. Und aus ihr geht unmittelbar die Geschlechtsmündigkeit hervor.

Alle Menschen sind prinzipiell gleichermaßen geschlechtsmündig. Das heißt: Menschen sind generell fähig, ihre geschlechtliche Positionierung selbst festzustellen und über deren Entfaltung zu entscheiden. Aufgrund der Unendlichkeit und prinzipiellen Unbestimmtheit der menschlichen Würde kann niemand – weder staatliche Organisation noch private Intervention – die Geschlechtlichkeit der Menschen von außen bestimmen. Das bezieht sich sowohl auf die Art und Weise dieser Geschlechtlichkeit als auch auf ihre Anzahl, ihre Entwicklungsrichtung und alle anderen denkbaren und undenkbaren Qualitäten. Einen Zustand der prinzipiellen Geschlechtsunmündigkeit gibt es nicht. Jeder Versuch, eine solche Geschlechtsunmündigkeit zu behaupten ist eine Form von Geschlechtszwang. Damit ist gemeint, dass einer Person gegen deren erklärten Willen eine Geschlechtsidentität auferlegt wird.
Artikel 2 GG garantiert sowohl das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit der Person und Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit. In Verbindung mit Artikel 1 GG stellt dies einen Aspekt der Menschenwürde dar. Es handelt sich daher um ein allgemeines Persönlichkeitsrecht, ein unverrückbarer Grundstein des demokratischen Lebens in Deutschland. Daraus geht unmittelbar die Geschlechtsmündigkeit hervor. Damit ist gemeint, dass die eigene geschlechtliche Positionierung einer Person prinzipiell nur von dieser Person selbst beurteilt

V. Geschlechtsmündigkeit

und angegeben werden kann. Eine solche Beurteilung setzt sich aus äußeren und inneren Elementen zusammen. Sie erfordert die Reflexion über gesellschaftliche Verhältnisse, Lebenschancen, sowie auch persönliches Wohlbefinden und Erleben. Es ist gerade dieser introspektive Aspekt der Beurteilung des eigenen Geschlechts, der die Geschlechtsmündigkeit zu einer unübertragbaren Fähigkeit macht. Es handelt sich um eine indexikalische Urteilsfähigkeit, die nur das urteilende Subjekt ausüben kann, und deren beurteiltes Objekt nur dieses Subjekt selbst sein kann. Diese Fähigkeit ist daher prinzipiell genausowenig übertragbar, wie die Freiheit der Person und die generelle Entfaltung der Persönlichkeit – niemand kann an eines anderen statt frei sein oder sich an eines anderen statt entfalten. Diese Geschlechtsmündigkeit gilt prinzipiell für jeden (“Jeder hat das Recht … “, Artikel 2, Absatz 1, GG) – das schließt unter anderem Kinder, Jugendliche, Asylsuchende und Menschen mit Duldungsstatus mit ein.
Kinder unterliegen dabei dem besonderen Schutz des Rechts. Mit Rücksicht auf die besondere kognitive Situation von Kindern sind sie bedingt geschlechtsmündig zu nennen. Damit ist gemeint, dass ihre Geschlechtsmündigkeit der Bestätigung eines Dritten bedarf – entweder eines gesetzlichen Vertreters oder eines Familiengerichts. Allerdings genießen Kinder, wie alle anderen Menschen auch, das Recht auf Freiheit von Geschlechtszwang. Der Willensäußerung eines Kindes, nicht in einem bestimmten Geschlecht erzogen werden zu wollen, ist also Folge zu leisten, selbst wenn die rechtsgültige Veränderung der geschlechtlichen Zuordnung und des Vornamens eines Kindes der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters oder eines Familiengerichts bedürfen. In dieser Regelung kommt auf besondere Weise zum Ausdruck, dass die Geschlechtsmündigkeit eines Menschen, aller Menschen, unbedingt zu achten ist.

Zu unterscheiden ist weiterhin zwischen nomineller und materieller Geschlechtsmündigkeit. Mit nomineller Geschlechtsmündigkeit ist die formelle Anerkennung der geschlechtlichen Identität einer Person gemeint, also die standesamtliche Erfassung des Geschlechtseintrags, die Eintragung eines Vornamens (und ggf Nachnamens) etc. Dem gegenüber bezeichnet die materielle Geschlechtsmündigkeit die tatsächliche, materielle Entfaltung der geschlechtlichen Positionierung einer Person. Hierzu gehören unter anderem geschlechtsaffirmative medizinische Behandlungen, aber auch Entschädigungszahlungen (siehe Begründung zu Artikel 1, §3 und §7). Zum Zwecke einer euphorischen Gesellschaft muss staatliche Organisation daher sowohl die nominelle als auch die materielle Geschlechtsmündigkeit nach Kräften vermehren.

